Rechter Hetze widersetzen!

Statement zum Demogeschehen am 11. Januar 2016

Posted: Januar 20th, 2016 | Author: | Filed under: General | Kommentare deaktiviert für Statement zum Demogeschehen am 11. Januar 2016

Schon bei unserer Anmeldung der Demonstration am 11.01. mit dem Motto „Bass statt Hass“ wurde uns klar, dass konkurrierende Interessen nicht gleichwertig behandelt wurden oder werden. So wurde beispielsweise unsere Demonstration auf Grund von Einschätzungen des sächs. Verfassungsschutzes verlegt. Diese attestierten uns nämlich die Nähe zum „linksextremen“, „militanten Kleingruppenspektrum“ und argumentierten auch mit ähnlichen Einschätzungen über das Netzwerk-Bündnis „Leipzig nimmt Platz“.

Auch, was am Montag auf Seiten LEGIDA’s passierte, ließ uns sprachlos zurück: Auf der Facebookseite „LEGIDA“ wurde ab Montagmittag zu einer gemeinsamen Anreise mit Treffpunkt Bahnhof aufgerufen. Dafür braucht es eine Anmeldung, sobald eine Meinungsäußerung, ob mit oder ohne Kundgebungsgegenstände, stattfindet. Genau das passierte spätestens als sich die Gruppe zu ihrem Kundgebungsort am Naturkundemuseum aufmachte, jedoch ohne vorherige Genehmigung. Dieses Verhalten auf Seiten LEGIDA‘s als auch das „Nicht-Ahnden“ der Polizei ist in den letzten Wochen und Monaten Alltag geworden, und stellt einen erheblichen Verstoß gegen das sächsische Versammlungsrecht dar. Nur als Kontrast: Würden wir zu einem Treffpunkt für eine „gemeinsame Anreise“ etc. aufrufen, müssten wir davon ausgehen, entweder von einem Polizeiaufgebot empfangen und/oder dann dort von selbigem gekesselt zu werden, von einer „sicheren Anreise“ ganz zu schweigen. So kam es bei vorherigen Treffpunkten für Anreisen zu Gegendemonstrationen häufig zur direkten Unterbindung einer gemeinsamen Anreise durch Großaufgebote der Polizei und zu Überwachungen durch einen Polizeihubschrauber.

Dazu waren auf LEGIDA‘s „Anreisestrecke“ und am Hauptbahnhof am Montag auch verhältnismäßig wenig Beamten eingesetzt. Wie sich im Laufe des Abends zeigte, gingen die Einsatzkräfte wohl davon aus, dass LEGIDA-Teilnehmer_innen auch auf anderem Wege anreisen würden und nahmen damit in Kauf, dass diese Anreise auch über unsere Demoroute erfolgte. Dies geschah dann auch, unter anderem über den Dittrichring und die Westseite des Richard-Wagner-Platzes als Konsequenz der ungehinderten Nutzung der Schienenunterführung (Astoria). Die dort ebenfalls geringe Polizeipräsenz lässt darauf schließen, dass diese nicht drauf bedacht waren, die Lager effektiv zu trennen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Ordnungskräfte kleinere Wortgefechte und Streitereien wissentlich in Kauf nahmen, möglicherweise auch um eventuell resultierende Ereignisse daraus zur überspitzten Darstellung unserer Teilnehmer_innen zu nutzen.

Auf der Kundgebung von LEGIDA kam es dann erneut zu Angriffe auf Journalist_innen, auch wurden des Öfteren die Auflagen missachtet, z.B. als eine sich eine größere Gruppe auf Höhe eines Supermarktes abspaltete und sich dort mit reichlich Bier aus Glasflaschen eindeckte. Ein Ahnden dieser Verstöße durch Ordnungsamt oder Polizei ist uns nicht bekannt.

Im Nachhinein lässt sich zu den Teilnehmerzahlen anmerken: Zwar konnten Montag viele Menschen auf Seiten LEGIDA mobilisiert werden, ohne die Hilfe besonders aus den Kreisen Dresden und Ostthüringen wäre der Haufen deutlich kleiner gewesen. Zudem bekam LEGIDA wohl auch Zulauf aus Berlin, Brandenburg und sogar aus Dortmund. Dieser Schachzug war eigentlich nur logisch, wenn man die geringen Zahlen vor Weihnachten betrachtet. Die daraus hervorgehende Entwicklung ist jedoch deutlich dramatischer. Während die ursprüngliche Zielgruppe, das erzkonservative Bürgertum, dass immer gerne als „besorgte Bürger“ deklariert wird, nicht mehr dem Ruf zu folgen scheint, orientiert man sich nun anderweitig. Vielmehr rekrutiert man jetzt aus offen rechtsradikalen Kreisen wie der NPD und Konsorten, der Hooliganszene, die selbst als Anmelder schon öfters auftrat, und innerhalb der Neuen Rechten und der freien Kameradschaftsszene. Damit hat man das bürgerliche Lager vollkommen verlassen, und die AfD rechtsaußen überholt. Dies zeigte auch die Auswahl von LEGIDA’s Gästen und Redner_innen, wie Tatjana Festerling und der Sänger von Kategorie C, die ganz klar auch im Anbetracht ihrer Beiträge auf der Kundgebung nicht ins besorgt-bürgerliche, sondern ins rechtsradikale Spektrum einzuordnen sind.

Nach dem hässlichen Teil des Demogeschehens, nun zum hässlichsten des Abends:
In Connewitz und auch Gohlis kam es zu Randalen durch ebengenannte Hooligans und die freie Kameradschaftsszene, auch JN- und NPD-Anhänger partizipierten wohl. Besonders im Süden war das Ausmaß der Zerstörungsgewalt immens: Betroffene sind neben wenigen klar linksorientierten Lokalitäten, v.A. mittelständige Einzelhändler_innen. Der Überfall war scheinbar von langer Hand geplant und wurde sogar bei Twitter einschlägigen rechtsradikalen (Facebook-)Seiten angekündigt. Deshalb muss auch der Verfassungsschutz Zugriff auf Informationen bzgl. bevorstehender Gewaltanschläge seitens rechts gehabt haben.
Auch muss klar sein, dass diese Angriffe nur im Zusammenhang mit dem Marsch von LEGIDA in der Innenstadt zu verstehen sind.

Nicht nur erzeugt die gesamte GIDA-Bewegung ein Umfeld, dass Angriffe auf Andersdenkende Alltag werden lässt, sondern besonders in Leipzig ist die Verbindung zwischen LEGIDA und den rechten Hooliganszene allgegenwärtig. So ist Silvio Rössler – zwischenzeitlich Initiator von LEGIDA – selbst Ex-Lok Leipzig-Hooligan. Weitere Teile der Lok-Szene, aber auch Hooliganverbände wie die Brigade Halle und ähnliche Strukturen aus Bitterfeld und Merseburg erscheinen regelmäßig bei LEGIDA. Wer hier also einfach nur von randalierenden Fußballfans spricht, ignoriert die politische Dimension der Angriffe vollkommen.

Deshalb muss hier nochmals Kritik an den Ordnungsbehörden geübt werden. Denn während unsere Demo durch die Einschätzung des sächsischen Verfassungsschutzes als potentiell gefährlich eingestuft und daher stark beauflagt wurde, konnten rechte Akteur_innen unverhohlen den Angriff ankündigen und planen. Während uns die Nähe zu „militanten Linksextremisten“ vorgeworfen wird, die sich unter unsere Demo mischen könnten, verwüsten rechte Gewälter_innen einen ganzen Stadtteil. Die in dem Bericht des Verfassungsschutzes vorgelegten Gründe entbehren sich jeglicher Grundlage, was wir Montag auch bewiesen haben. Während vermeintliche Blockadeversuche anscheinend schon reichen, um uns die Nähe zum „militanten“, „linksextremem“ Spektrum vorzuwerfen, wird seit Monaten im Internet durch Rassist_innen gehetzt, gedroht und beschimpft. Reaktion der Ordnungsbehörden: „Die sind doch alle friedlich“. Das geht zumindest aus dem Auflagenbescheid hervor, in dem LEGIDA grundsätzlich keinerlei Gewaltbereitschaft attestiert wird im. Hier zeigt sich deutlich ein Bild der Kriminalisierung linker Aktivist_innen, welches wir nicht unkommentiert stehenlassen können. Während wir uns für Geflüchtete und Weltoffenheit einsetzen und zahlreiche Repressionen erfahren müssen, brennen in Deutschland täglich Geflüchtetenunterkünfte. Das zeigt klar, wie die Behörden Gewalt gleichsetzen, wie simpel sie sich der Extremismustheorie bedienen, ohne sie zu hinterfragen. Diese Gleichsetzung ist unerträglich geworden!

Dennoch: Schon am Montagabend organisierten sich in Connewitz Frewillige, die zu Solidarität und Selbstschutz ausübten und dazu aufriefen. Übertroffen wurde das noch von einer Demo am nächsten Abend, die sich gegen die rechten Ausschreitungen wandte und für die jetzt nötige Solidarität einsetzte. Zu dieser durch und durch friedlichen Demonstration kamen 2000 Menschen, trotz der Kurzfristigkeit. Das lässt wieder hoffen. Es wurde klargemacht, dass rechte Gewalt keinen Platz in unserer Stadt oder sonst wo hat. Aber auch, dass es viele Menschen gibt, die bereit sind, gegen rechten Terror vorzugehen und ihn nicht unbeachtet stehen lassen können. Darüber sind wir froh, und solidarisieren uns mit ihnen.

Zusammengefasst: Es waren am Montag bis über 3000 Menschen auf den Gegenveranstaltungen und das trotz kontinuierlichen Regens. Die Stimmung auf dem Demozug war klasse! Ihr wart bunt, laut, standhaft und rundum einfach wunderbar, auch auf der Kundgebung. Das zeigt, dass es in Leipzig immer noch eine Öffentlichkeit gibt, die die Gefährdung durch die GIDA-Bewegung verstanden hat. Andererseits hat LEGIDA ebenfalls viele Menschen auf die Straßen gebracht, wenn auch mit großer Hilfe vonaußerhalb. Der Kern von LEGIDA ist wohl deutlich geschrumpft, weshalb sie am Ende ihrer Kundgebung darauf verwiesen, zukünftig nur noch monatlich marschieren zu wollen. Ihnen scheint bewusst geworden zu sein, dass es für wöchentliche Aufmärsche nicht reichen wird. Trotzdem müssen wir – nicht zum ersten Mal – hinterfragen, wo die Stadtgesellschaft geblieben ist. Die Lichterkette bestand laut Zählungen aus ca. 2000 Menschen, laut des Initiators angeblich aus weitaus mehr Teilnehmenden. In Leipzig leben jedoch über 550.000 Menschen. Das „weltoffene“ Leipzig, wie es immer nach außen propagiert wird und auch so in überregionalen Tageszeitungen regelmäßig betitelt wird, kann nur so lange weltoffen und bunt bleiben, wie Rassist_innen bekämpft werden. Rechte Gewalt, wie wir sie am Montag auch erlebten, zielt nicht nur auf linke und alternative Zentren, sondern gegen alles, was den Nazis nicht ins Weltbild passt. Es sollte also nicht nur im Sinne aller Akteur_innen sein, LEGIDA und ihre rassistischen Geschwister von der Straße zu bekommen, sondern ein Anliegen aller Bürger_innen Leipzigs darstellen.


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