Rechter Hetze widersetzen!

Redebeitrag zur Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie

Posted: November 12th, 2015 | Author: | Filed under: General | Kommentare deaktiviert für Redebeitrag zur Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie

Der folgende Beitrag ist für die Preisverleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie am 9.11.2015 verfasst, wurde dort aber nicht gehalten.

Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die Verleihung des Förderpreises, den wir gerne, jedoch auch überrascht entgegennehmen. Überrascht, weil uns die Universität vorgeschlagen hat und wir uns nicht immer ihrer Unterstützung bewusst waren. Und auch, weil unseres Erachtens nach jedes andere der vorgeschlagenen Projekte hier stehen könnte.

Wir möchten diese unverhoffte Plattform nutzen, um einige Dinge anzusprechen, die uns beschäftigen. Unsere Namen und Gesichter sollen hier keine Rolle spielen, da wir stellvertretend für eine Gruppe von Menschen stehen, die durch unsere Demonstration in Leipzig heute verhindert sind.

Heute ist der 9. November. Es wird nicht nur dem Fall der innerdeutschen Mauer gedacht, sondern auch des 77. Jahrestages der Reichspogromnacht von 1938. Des Tages, an dem im ganzen Land Zerstörung, Gewalt und Mord gegenüber jüdischen BürgerInnen einen neuen Höhepunkt fanden. An diesem Gedenktag versammeln sich in vielen deutschen Städten sogenannte „besorgte Bürger“, Reihe in Reihe mit Rechtsradikalen, um ihre Fremdfeindlichkeit und den Ruf nach Ausgrenzung zu skandieren. Dass sie hierbei das Andenken der während des Nationalsozialismus Verfolgten mit Füßen treten, scheint genauestens kalkuliert zu sein.

„Legida? Läuft nicht.“ hat sich im Januar als studentisches Bündnis gegründet, um zu den Gegenprotesten zu mobilisieren. Dem Aufruf gegen Rassismus, Nationalismus und rechte Hetze folgten zuerst über 30.000 Menschen. Es bestand Konsens darüber, dass fremdenfeindliche Ressentiments in dieser Gesellschaft keinen Platz haben. Über Monate zeigte sich der Protest der vielen Leipziger Initiativen kreativ und entschlossen. Dennoch, trotz offener Fremdenfeindlichkeit und hetzerischen Aussagen kann Legida auch nach 10 Monaten beinahe wöchentlich auflaufen. Gleichzeitig sind Woche für Woche weniger Menschen bei den Gegenprotesten. Wie kann das sein? In Leipzig wohnen weit über eine halbe Million Menschen. Die teilen sicher nicht alle die Ansichten Legidas. Herrscht allgemeines Desinteresse? Oder werden die Vorgänge nicht ernstgenommen?
Wir sehen noch einen anderen Grund: In Leipzig kommt es zur systematischen Unterdrückung des Gegenprotestes. Friedlicher Aktionismus wird erschwert, kriminalisiert und teils gewaltsam beiseite geräumt. Gleichzeitig wurde und wird Legida bevorzugt behandelt, wird geradezu der Weg bereitet. Eigentlich ein Skandal. Die nötige kritische Öffentlichkeit fehlt in unseren Augen. Damit sie wissen, wovon wir sprechen:
Kontrollen, Identitätsfeststellungen und Platzverweise gegen (vermeintliche) AktivistInnen, pauschales Abfilmen des Gegenprotestes, der ständig kreisende Polizeihubschrauber und neuerdings auch drohende Wasserwerfer am Rande der Demonstrationsrouten. Einschränkungen bei Versammlungsanmeldungen, schlechte Zugänge und weite Wege, im Gegensatz zu sicheren Zugängen für Legida-TeilnehmerInnen, auch durch unsere Gegenkundgebungen hindurch. Vollständiges Einzäunen der Legida-Aufzugsroute durch Hamburger Gitter und Polizeibusse. Rabiates Vorgehen, Schubsen, Schreien und Zustürmen auf friedliche Menschen, Tritte, Knüppel und Pfefferspray gegen Sitzblockaden – Deeskalation geht anders.
Lange wurden die Konsequenzen der rechten Aufmärsche nicht ernstgenommen. Dabei sind sie der Nährboden für politisch motivierte Gewalt. Jüngst blicken wir auf eine Reihe erneuter Pogrome zurück. Dresden, Heidenau, Magdeburg, Wismar… Fast täglich lesen und hören wir in verschiedenen Nachrichten von Übergriffen auf Geflüchtete oder Helfende. Der Rassismus zeigt wieder seine
menschenverachtende Fratze. Deutschland hat keine „Flüchtlingskrise“: Deutschland erlebt eine rechte Krise!

Ohne die Gräuel des Nationalsozialismus verharmlosen zu wollen: Die Parallelen sind sichtbar. In Jahren des Geschichtsunterrichtes wurde dieses Thema nicht immer wieder behandelt, damit wir jetzt schweigend wegsehen. Die Frage geht an jede und jeden einzelnen: Zeige ich die nötige Initiative?

Die angesprochenen Probleme betreffen die gesamte Struktur dieser Gesellschaft und wir nehmen auch uns nicht davon aus. Immer noch gelten Menschen als verschieden viel Wert. Wer vor 40 Jahren Menschen aus der DDR in die BRD schmuggelte, wird heute als Held gefeiert. Wer heute das gleiche mit Geflüchteten tut, wird kriminalisiert, mit dem Freiheitsentzug bedroht. Denn es sind ja keine Deutschen MitbürgerInnen, die es da über die Grenzen schaffen. Gleichzeitig beschließt der Bundestag eine unsägliche Verschärfung der Asylgesetze und entrechtet damit pauschal eine Gruppe hilfsbedürftiger Menschen, spricht dabei von Grenzen der Integration und legitimiert damit implizit Ausgrenzung. Ein Armutszeugnis für eines der wohlhabendsten Länder der Welt.

Wir möchten auch den positiven Erfahrungen Platz einräumen. Es ermutigt zu sehen, dass es eine Demonstrationskultur in unserer und in anderen Städten gibt, dass Menschen auf die Straße gehen, um sich für eine heterogene Gesellschaft aus zu sprechen. Ein Moment mit Symbolkraft: Hunderte Beteiligte sitzen friedlich auf der Straße, die Marschroute wird abgesagt. Und durch die Straßen schallt es: „LEGIDA? LÄUFT NICHT!!!“
Für uns heißt es: Weiter machen, positiv bleiben und mehr Menschen motivieren. Durch stetige inhaltliche Auseinandersetzung ein Bewusstsein zu schaffen, führt hoffentlich zu einer allgemeinen Sensibilisierung. Damit sich mehr Menschen befähigt sehen, gegen rechte Ideologien aktiv zu werden, damit eine größere Solidarität in der Gesellschaft entsteht und auch, damit der Protest immer lauter wird. Der Bedarf ist da. Ein Beispiel: Die von uns eingeladene Bühne für Menschenrechte spielte bei der Veranstaltung „Asyldialoge“ vor ausverkauften Reihen.
Wir hoffen, durch unser Tun einen Beitrag zu leisten. Für Gleichberechtigung und Akzeptanz anstelle von Ausgrenzung und Hass. Für eine selbstkritische Auseinandersetzung. Und für ein gewaltfreies Zusammenleben. Das funktioniert aber nur durch breite Beteiligung. Deshalb unser Appell: Engagiert euch, es ist an uns allen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


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